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JUNO TALKS mit Lena Musmann

JUNO war Lenas erste Festanstellung. Danach ging sie zu Acne Studios nach Stockholm. Und anschließend zu Nike in Oregon. Ein Gespräch über das wendungsreiche und intensive Leben als Designer*in.

Lena Musmann, Textilprint- und Grafikdesignerin.

Lena, du warst zwei Jahre bei uns. Lass uns doch damit starten, wie es nach JUNO bei dir weiterging. 

Ich habe mich nach JUNO bei Acne Studios beworben – ich fand die Marke spannend, hatte allerdings auch Respekt vor der Modebranche. Ich hatte bis dahin keine Erfahrungen im Textilbereich.

Wie bist du da reingekommen?

Ich habe mich ganz klassisch auf eine ausgeschriebene Position beworben. Nach meinem ersten Gespräch in Stockholm sollte ich ein Projekt ausarbeiten – eine Art Case Study, wie es in der Modebranche oft üblich ist. Das Projekt kam gut an. Rückblickend glaube ich aber, dass vor allem mein Engagement und mein Ehrgeiz entscheidend waren. Ich bin dann dreieinhalb Jahre bei Acne Studios geblieben.

Was war dein Job?

Ich war im Print/Graphics Team und habe Kollektionen mit Prints, Grafiken und Branding gestaltet – das war mein Hauptfokus. Aber tatsächlich wird man überall miteinbezogen, arbeitet eng mit allen Design Teams zusammen, Footwear, Accessories etc. Bei den Shows ist man auch dabei – alle werden gebraucht. Das hat meine Leidenschaft für Gestaltung geweckt, die ich schon bei JUNO gespürt habe. Ich komme in den Flow, wenn ich taktil arbeiten kann – mit Stoffen, unterschiedlichen Techniken, verschiedenen Materialien, Grafiken, Farben, Prints. Das war eine neue Ebene von Design, die ich vorher nicht kannte.

Beschreib mal ein wenig, wie du deine Arbeit dort erlebt hast im Vergleich zu JUNO.

Die Luxus-Modebranche ist wie ein Bootcamp: Ich musste lernen, auf meinen Körper zu hören, um nicht unterzugehen. Die Arbeitszeiten sind extrem, der Druck kommt von allen Seiten. Druck kann etwas Produktives sein – wenn man auch lernt, loszulassen. Oft entstehen gerade dann die besten Entwürfe.

Eigentlich genau das Richtige für dich, oder? Du bist zum Everest Base Camp gewandert. Du liebst doch Herausforderungen. 

Ja! Es war intensiv! Aber die Kehrseite ist, dass man Gefahr läuft, seinen Körper und Geist zu vernachlässigen. Tatsächlich habe ich viele ausgebrannte Menschen um mich herum erlebt. Irgendwann war’s Zeit weiterzuziehen. Auf der anderen Seite bin ich total dankbar für alles, was ich gelernt habe – ich habe bisher keinen Ort erlebt, den ich so kreativ und experimentell empfunden habe.

Und wie war das mit der Inspiration? Wie kamst du auf neue Ideen, trotz des Drucks?

Das Thema Research hatte einen hohen Stellenwert. Es war einer der größten Lernpunkte für mich. Das Design Team ist auf Research-Trips gefahren – zum Beispiel nach Rumänien. Dort fand man die Inspiration in Antiquariaten, auf Märkten, in alten Hotels und Vintage-Läden, immer auf der Suche nach besonderen, noch unentdeckten Dingen. Aschenbecher, Servietten, verrücktes Zeug – alles wurde mitgebracht und im Office sorgfältig kuratiert. Pinterest oder Instagram waren als Inspirationsquellen tabu. Das auf diesen Plattformen Veröffentlichte galt als bereits bekannt und dadurch nicht mehr fresh.

Also Inspiration aus der echten Welt?

Auf jeden Fall. Vor allem in der Nostalgie der echten Welt.

Was für eine Brand ist Acne Studios?

Schwer zu sagen. Ich habe eng mit dem Creative Director Jonny Johansson gearbeitet, der im Prozess am Ende entschieden hat, welche Entwürfe umgesetzt werden. Er hat sich im Design auf seine Intuition und seine starke visuelle Stärke verlassen. Mit der Zeit habe ich verstanden, wie er denkt – das war für mich Acne Studios. Inspiration kam immer wieder auch aus der schwedischen Kultur – der schwedischen Landschaft, Schallplatten, oder Gedichten, der Sami-Kultur oder Stricktraditionen. 

Und nach Acne Studios?

Während Corona habe im skandinavischen Raum freiberuflich gearbeitet, unter anderem für BYREDO und GANNI. Nach einiger Zeit wurde ich von Nike »geheadhunted« und bin gemeinsam mit meinem Partner an die Westküste der USA, nach Portland, Oregon gezogen. Allerdings musste ich zuvor ein Jahr auf mein Visum warten.

Auch wieder als Designerin?

Genau. Ich leitete ein Graphic/Print Team im Bereich Jordan Brand und war verantwortlich für Basketball sportswear, sowie Streetwear Kollektionen. Wir haben unter anderem auch für Paris Saint-Germain und Michael Jordans Premium Golf-Linie gearbeitet. In dieser Zeit habe ich viel über Black American Culture gelernt. Es hat in den 80ern der USA viel bedeutet, sich ein Poster von Michael Jordan zuhause im Kinderzimmer aufzuhängen. Das war damals ein Statement. Diese Energie und diesen Stolz spürt man im Michael Jordan Building auf dem Nike Campus total. Ich hatte davor keine Berührungspunkte mit dem Black American Heritage und hatte mich in meiner Jugend weder für Nike noch für Michael Jordan interessiert. Das hat sich jetzt zum Glück geändert! 

Wie war die Arbeit?

Im Nike-Headquarter arbeiten ca 10.000 Menschen. Das ist Corporate America in seiner reinsten Form. Ich kam kurz nach Covid, als Nike auf ein Rekordtief fiel, und das spürte man im Design. Es gab ein großes Bedürfnis nach Sicherheit. Ich erlebte nicht unbedingt den kreativen Geist und den Drive, den Nike nach außen versprüht. Es ging in meiner Arbeit viel um Margen und Preiskalkulationen, knallhartes Business. Zu meinem Vorteil war Jordan Brand damals schon die erfolgreichste Marke innerhalb von Nike. Der Nike Air Jordan 1 ist das einflussreichste Produkt der Brand. Ich beschreibe Jordan gerne als das kleine wendige Sportboot innerhalb der Marke, während Nike eher einem Kreuzfahrtschiff ähnelt. Martin Lotti, Chief Design Officer bei Nike sagte einmal zu mir: »Nike is slow, but not stupid.«

Und dann hat es dich wieder nach Europa gezogen.

Ich habe definitiv den Lifestyle in den USA genossen. Und Oregon, ich nenne es gerne das »Campfire America«. Es bietet unglaublich viele Möglichkeiten für Outdoor-Aktivitäten. Die Westküste, Kalifornien, Los Angeles machen einfach Spass. Trotzdem habe ich oft Europa vermisst. Die Werte, die wir dort zu schätzen wissen, Freund*innen und Familie natürlich. Auch die kürzeren Distanzen. Den europäischen Vibe.

Erzähl doch noch mal über deine JUNO-Zeit.

JUNO war meine erste Festanstellung nach dem Studium. Ich denke immer wieder gerne an diese Zeit zurück. Vor allem daran, wie viel Raum ich zum Experimentieren bekommen habe und wie oft ich tatsächlich noch mit den Händen arbeiten konnte. Ich erinnere mich an ein Projekt, bei dem ich Objekte aus Munken-Papier an der Schneidemaschine geschnitten und geformt oder mit Textilien von Kinnasand gearbeitet habe. Bei JUNO habe ich auch gelernt, tiefgründiger über Brands nachzudenken. Viele Brands wissen nicht genau, wer sie sind – für die Gestaltung ist das aber essenziell.  

Nach all deinen Stationen – wie blickst du heute auf Design?

Design ist für mich heute Energie. Früher war Design für mich stärker mit Form und Ausdruck verbunden – heute denke ich eher in Wirkung, Haltung, Präsenz. Mein Fokus verschiebt sich. Ich komme aus dem Textil- und Modedesign – ich liebe das Handwerk, das Material, den Prozess. Aber ich spüre auch eine wachsende Distanz zur Industrie, wie sie heute oft funktioniert: schnell und austauschbar. Ich habe im Frühjahr diesen Jahres für einige Wochen auf einem biodynamischen Hof an der Ostsee gearbeitet. Dort spüre ich Gestaltung im Konzept der Anlage. Wie sie aufgebaut ist, wie sie gestaltet ist. In letzter Zeit hat es gutgetan, Abstand zu meiner Arbeit in der Modeindustrie zu bekommen. Ich gestalte wahnsinnig gerne. Design ist mein Medium – aber es muss nicht mehr zwingend die Modebranche oder Grafikdesign sein. Ich bin deutlich offener geworden. Im Moment lese ich »Theorie U« von Otto Scharmer, Professor am MIT. Dabei geht es um einen Gestaltungsprozess, bei dem man sich von alten Denkmustern löst, um zukunftsgerichtete Vision zu gestalten.

Und was kommt als nächstes?

Während meiner Zeit bei Nike gab es einen Schlüsselmoment: Ich stand an der Siebdruckmaschine und experimentierte. Eine Kollegin aus dem Team beobachtete mich, kam schließlich zu mir und sagte: »Deine Augen leuchten wie die eines Kindes, wenn du analog und mit den Händen arbeitest – und nicht am Computer.« In dem Moment wusste ich: Genau das ist mein Weg – eigentlich war er das schon immer. Ich habe schon früh angefangen, mit den Händen zu arbeiten. Taktiles Arbeiten war und ist meine Stärke. Während meiner Zeit in den USA habe ich an den Wochenenden auf einer Farm gearbeitet. Handwerk zieht mich einfach an – vielleicht führt mein Weg genau dorthin zurück.

Vielen Dank!