Daniel Knies – Design is in the air
Die Kritik am Fliegen wird immer lauter. Gleichzeitig wächst die Zahl der Flugreisenden unbeirrt. Welchen Beitrag kann Design hier liefern? Mit Daniel Knies von SPIRIANT, einer der erfahrensten Manager für Inflight Service Design, sprechen wir über neue Konzepte für die Zukunft.
Was schätzt du, wie viele Menschen kommen pro Jahr mit eurem Design in Berührung?
Wir gehen von 700 Mio. Passagieren, Flugbegleitern und Mitarbeitern am Boden aus.
Bis 2030 sollen sich die Passagierzahlen auf Flugreisen verdoppeln – mit welchen Service-Design-Strategien sorgt ihr dafür, dass jeder Fluggast sich trotz dieser logistischen Herausforderung persönlich angesprochen fühlt?
Wir entwickeln Inflight Service Produkte, vom Geschirr bis zu Serviceartikeln für die Crew, von Pflegeartikeln bis zu Decken und Kissen. Auch die jungen Passagiere kommen nicht zu kurz.
Dabei unterstützen unsere Produkte einen zunehmend individualisierten Service, bei dem sich jeder Gast sein persönliches Angebot zusammenstellen kann. Dafür entwickeln wir immer flexiblere Produkt- und Servicekonzepte, die dem Passagier und der Crew an Board mehr Möglichkeiten zur Auswahl geben und welche im begrenzten Raum an Board logistisch umsetzbar sind. Ein Passagier in der Economy Class kann z.B. seinen Flug versüßen und ein Business Class Mahlzeit kostenpflichtig buchen. Solche Angebote werden mehr und mehr in Portfolio der Airlines aufgenommen.
Wie schafft ihr es, für Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen genau das passende Erlebnis während des Flugs zu gestalten?
Die Fluggesellschaften machen das vor allem über landesspezifische Angebote wie z.B. Mahlzeiten. Wir versuchen Produkte zu gestalten, die von möglichst allen verstanden und komfortabel benutzt werden können, sprich ohne Anleitung auskommen, da sie z.B. auf kulturelle Gewohnheiten zurückgreifen oder durch visuelle Hinweise am Produkt von möglichst allen Altersgruppen einfach und sicher benutzt werden. Noch sind routinierte Vielflieger eine Minderheit.
Woran erkennst du, ob eine Airline sich Mühe gibt bei Inflight-Konzepten?
Wenn sie über eine klare Servicephilosophie verfügen – die aus den Markenwerten abgeleitet und bis zum Corporate Design abgestimmt ist. Lufthansa zum Beispiel legt besonderen Wert darauf, dass ihre Produkte gut durchdacht sind – einer der Markenwerte – und entsprechend durchgängig und mit hohem Wiedererkennungswert gestaltet sind.
Kannst du mal Beispiele für Service-Strategien nennen, die von unterschiedlichen Airlines momentan verfolgt werden?
Es gibt global gesehen unterschiedliche Trends. In Europe und Middle East ist es sicherlich ein großer Trend zu mehr Buy-on-Board Angeboten und zusätzlich buchbaren Upgrades. Andere Airlines möchten ihren Service aufwerten, in dem sie das Angebot vereinfachen, gleichzeitig aber aufwerten in dem sie Mahlzeiten anbieten, die mehr an ein Restaurant erinnern. Andere möchten wiederum ihr Serviceangebot am Boden stärker ausweiten und setzen verstärkt auf Partnerschaften mit bekannten Marken, die bereits hochwertige Produkte und Leistungen anbieten und über die Glaubwürdigkeit verfügen.
Euer Design ist wahrscheinlich komplett eingebettet in die Konzepte der jeweiligen Airline, für die ihr arbeitet – wie viel Freiheiten hat man da noch als Designer?
Wir haben schon einiges an Freiheiten. Natürlich versuchen wir Produkte zu entwerfen, die zur jeweiligen Fluggesellschaft passen und sie unverwechselbar machen. Aber unsere Kunden erwarten auch, dass wir ihnen neue Ideen und Lösungen vorschlagen. Wohlwissend, dass Aufgrund der limitierenden Rahmenbedingungen diese im Laufe der Realisierung eingeschränkt werden können. So entwickeln wir eine Reihe neuer Produkte, die Getränke und Speisen länger frisch und wohltemperiert halten. Dafür sind wir immer auf der Suche nach den neusten Werkstoffen und Herstellungsverfahren. Zudem setzen wir uns intensiv mit den Konsumentenbedürfnissen auseinander und beobachten zum Beispiel was im Retail Market geschieht und welche langfristigen Trends sich abzeichnen.
Die Verbraucher werden zu recht zunehmend kritischer und fordern ganzheitliche und nachhaltige Lösungen.
Wird Essen an Bord auch in Zukunft eine Rolle spielen?
Ganz sicher. Essen ist Genuss und besonders auf langen Flügen ist es essentiell. Die Konzepte an Board werden sich jedoch mehr und mehr mit den Angeboten am Boden ergänzen. So können Gäste via App Upgrades buchen und ergänzend das Angebot an Lounges oder Partnerrestaurants am Flughafen nutzen.
Welche globalen Trends werden euer Design in den nächsten Jahren bestimmen?
Die Nachfrage nach nachhaltigen, umweltfreundlichen Produkten und Konzepten wird ein bestimmendes Thema werden. Weltweite Regulierungen wie z.B. die EU-Direktive zur Reduktion von Plastikmüll stellen große Herausforderungen für unsere Industrie dar. Aber auch der Wunsch nach immer weiter individualisierten Dienstleistungen und Services erhöhen die Komplexität und benötigen neue logistische Konzepte für die Bereitstellung.
Wie geht ihr heute und in Zukunft mit den Themen Klimawandel und Verpackungsvermeidung um? Und wo finden gerade die spannendsten Innovationen in eurem Bereich statt?
Wir stellen uns dem Thema ganz aktiv und sehen uns in der Verantwortung die Belastungen für unsere Umwelt zu reduzieren. Dafür schauen wir uns jeden Artikel an und versuchen die richtige Balance zwischen Einsatz von Material und Lebensdauer zu finden. Zudem arbeiten wir intensiv an Recycling-Konzepten und der Verwendung von erneuerbaren Materialien. Das ist sicherlich das spannendste Themenfeld der nächsten Jahre. Die Verbraucher werden zu recht zunehmend kritischer und fordern ganzheitliche und nachhaltige Lösungen.
Was reizt dich ganz persönlich an deinem Job?
Die Abwechslung durch das breite Angebot von Produkten aus unterschiedlichsten Materialien und natürlich der globale Kontext, unsere Kunden kommen aus allen Ecken der Welt. Das ist schon etwas Besonderes – sich immer wieder auf neue kulturelle Kontexte einzulassen und versuchen, diese zu verstehen und in die eigene Arbeit einfließen zu lassen.
Wenn du eine eigene Airline hättest – worauf würdest du beim Service-Design setzen?
Ich würde ein Konzept ohne Flugklassen anbieten. Stattdessen kann sich jeder aus einem Angebot von Leistungen seine individuelle Reise buchen – also beispielsweise Lounge-Zugang, mehr Sitzfreiheit oder Verzicht auf eine Mahlzeit an Bord, weil man lieber schlafen möchte. Am Ende wird nur für das bezahlt, was man tatsächlich in Anspruch genommen hat.