Wolfgang Lübbert Munken Interview
Die Magie von Munken. Wolfgang Lübbert, Vice President Marketing & Strategy bei Arctic Paper, über die wahrscheinlich bekannteste Designpapiermarke für Kreative in Europa.
Hallo Wolfgang, schön, dass wir über die Papiermarke Munken und noch viele weitere Themen sprechen können. Du bist der Architekt des großen Erfolgs der Marke Munken und hast sie über die Jahre zur wohl bekanntesten Designpapiermarke für visionäre Künstler*innen und Kreativschaffende in Europa gemacht. Darüber möchten wir gern mehr erfahren, aber auch zu Relevanz von Papier in der heutigen Zeit , über die wichtige Rolle, die Design und Nachhaltigkeit in der Geschichte von Munken spielen – und über die zahlreichen kreativen Aktivitäten, in die die Marke Munken in letzter Zeit eingebunden war: konkret das Rebranding, eine sehr coole CoLab-Initiative in Gemeinschaftsarbeit mit Schweizer Schriftdesigner*innen. Und auch über die Cradle-to-Cradle-Zertifizierung, die Munken gerade erhalten hat.
Was ist das Besondere an Munken?
Um die Faszination der Marke Munken zu verstehen, müssen wir zu ihren Ursprüngen zurückgehen. Munken wird in dem malerischen Dorf Munkedal im Südwesten Schwedens hergestellt. Der Name Munken leitet sich von dem schwedischen Wort »munk« für Mönch ab. Er bezieht sich auf die Mönche, die einst in Munkedal – dem Mönchstal – lebten und Lachse fischten. Die Papierfabrik in Munkedal gibt es seit 150 Jahren. Sie hat im Laufe der Zeit eine einzigartige, handwerkliche Art der Papierherstellung entwickelt, die die Natur schont. Munken ist also mehr als nur ein Papier. Es ist eine Geschichte mit einem reichen Kulturerbe. Wenn du dir das Logo von Munken genauer anschaust, siehst du dort einen sinnierenden Mönch, der seine Gedanken zu Papier bringt.
Stellen wir uns vor, dieser Mönch würde die Geschichte von Munken schreiben. Worüber würde er schreiben?
Sicherlich über Kontinuität und die für Munken charakteristische Art, zu denken und zu handeln. Ein Teil der Munken-Kultur war es immer, den richtigen Ausgleich zu finden. Wie können wir Kultur, Menschen, Handwerk und Natur so zusammenbringen, dass alles miteinander harmoniert? Vielleicht ist dieser ganzheitliche Ansatz ja typisch für Skandinavien? Wie auch immer ... Aber Tatsache ist, dass die Papierfabrik Munkedal, das Unternehmen hinter der Marke Munken, bereits in den späten 1960er-Jahren die übliche Art der Papierherstellung in Frage stellte und sich auf die Suche nach einer nachhaltigeren Produktionsweise machte. Zum Teil, weil das Unternehmen behördlich dazu gezwungen war, den nahe gelegenen Gulmarnfjord und die nahe gelegenen lachsreichen Flüsse zu schützen – aber auch, weil es im ländlichen Schweden ein tiefgreifendes Verständnis dafür gibt, dass man eine Vereinbarkeit zwischen Natur und industrieller Produktion finden muss.
Die Marke Munken rühmt sich heute damit, eine der umweltfreundlichsten Produktionsstätten der Welt zu betreiben. Kannst du das näher erläutern?
Die Papierfabrik in Munkedal liegt zwischen zwei Naturschutzgebieten: dem Örekil, einem der lachsreichsten Flüsse Schwedens, und dem Gulmarn, Schwedens einzigem Schwellenfjord. Fjorde haben eine besondere Eigenschaft. Die Schwelle zum Meer ist relativ flach, während der Fjord selbst tief ist. Dadurch ist er extrem anfällig für Verschmutzung. Sauber zu produzieren war und ist daher für die Papierfabrik existenziell. In den vergangenen 60 Jahren haben wir sehr viel Energie darauf verwendet. Und im August 2020 hat die Papierfabrik in Munkedal dann als erste Papierfabrik der Welt die Zertifizierung Cradle to Cradle Certified™ für ihre komplette Produktpalette erfolgreich abgeschlossen.
Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir die ersten in unserer Branche sind, die die C2C-Standards für ihre gesamte Produktpalette erfüllen.
Was bedeutet das?
Cradle to Cradle Certified™ ist ein weltweit anerkannter Standard für sichere und nachhaltige Produkte, die für die Kreislaufwirtschaft hergestellt werden. Die Anwendung des Cradle-to-Cradle-Designprinzips bedeutet: Wir versuchen, nicht nur unseren negativen Einfluss auf die Umwelt zu minimieren, sondern darüber hinaus sogar einen positiven Fußabdruck zu hinterlassen. Um das zu erreichen, haben wir unsere Produktionsprozesse im Hinblick auf die Kriterien Nutzung erneuerbarer Energien, soziale Verantwortung, sauberes Wasser und Materialkreislauf gründlich analysiert und verbessert. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir die ersten in unserer Branche sind, die die C2C-Standards für ihre gesamte Produktpalette erfüllen. Ich bin sicher, dass andere folgen werden. Und das ist gut so.
In diesem Prozess werden alle Materialien und chemischen Stoffe definiert und es wird eine ganzheitliche Materialidentität erreicht. Die Materialgesundheit eines Produkts wird sorgfältig analysiert und bewertet. Zusätzlich werden weitere Schritte festgelegt, um eine höhere Bewertung, ein besseres Produkt zu erreichen. Darüber hinaus wird der gesamte Produktionsprozess beurteilt: das Recycling von Materialien, die Wiederverwendung unserer Abfälle, die Gewinnung der eingesetzten Energie, die Qualität des verwendeten Wassers und nicht zuletzt die soziale Fairness – nur ein gerechtes Miteinander kann langfristig eine nachhaltige Entwicklung gewährleisten.
Warum ist Munken so bekannt? Wir haben den Eindruck, Munken ist das einzige Designpapier, dem es gelungen ist, sich zu einer attraktiven Marke zu entwickeln, die nicht nur in Fachkreisen bekannt ist.
Munken ist ein Statement. Bei ihrer Einführung Anfang der 90er-Jahre stellte die Marke etwas wirklich Neues dar. Damals waren hochglänzend oder seidenmatt gestrichene Papiere der Standard im Farbdruck. Im Markt für Papierdesign dominierten hingegen farbige Papiere oder Papiere mit besonderen, originellen Merkmalen. Mit Munken brachten wir ein Papier mit ungestrichener Oberfläche auf den Markt, das den Druckerzeugnissen eine sehr charakteristische, eine natürliche, echte Papierhaptik verlieh. Munken war die Grundlage für kreative Interaktion mit den Empfänger*innen. Das haben Künstler*innen wie auch Designer*innen sofort verstanden und geliebt. Und warum? Ich denke, weil Munken eine Persönlichkeit hat, die bei Kreativen sehr gut ankommt. Das Papier sagt: Ich bin anders. Mir liegt die Natur am Herzen. Ich liebe kreative Designprojekte. Wenn man mit Munken arbeitet, wird die eigene Arbeit ausdrucksstärker und zugänglicher. Die Designarbeit, die Botschaft stehen mehr im Vordergrund, nicht die Oberfläche.
Munken war die Grundlage für kreative Interaktion mit den Empfänger*innen. Das haben Künstler*innen wie auch Designer*innen sofort verstanden und geliebt.
Wie konntest du dir damals so sicher sein, dass deine Idee für die Marke Munken erfolgversprechend war? War es nicht ein großes Risiko, etwas vorzustellen, das so anders war?
Ich glaube, wir haben viel früher als andere gespürt, dass die Leute nach einer Alternative suchten. Viele Verleger*innen und Künstler*innen erkannten die Qualität und das Besondere des Papiers. Das hat uns ermutigt, Munken nicht nur als naturverbundene Marke zu bewerben, sondern auch als Marke für Kreative, für Visionäre. So wurde Teasing senses – pleasing nature zur Tagline von Munken. Heute sehen wir, dass diese Tagline immer noch so relevant ist wie zu Beginn. Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Wir haben damals nicht viel Marktforschung betrieben. Wir hatten einfach das Gefühl, dass die Zeit reif war – also haben wir es gemacht.
Was sind die Eigenschaften, die Munken-Papiere so besonders machen?
Am Anfang war Munken nur in einer Qualität erhältlich. Heute bieten wir Munken als Sortiment an Feinpapieren in Designqualität an, die mit kreativen Arbeiten aller Art bedruckt werden können. Es gibt vier Färbungen, die sich minimal voneinander unterscheiden. Dazu gibt es zwei Oberflächen mit jeweils eigenem Charakter. Es gibt auch Bücher mit Munken-Papier. Achte darauf, wenn du das nächste Mal ein Buch kaufst. Viele Bücher werden deshalb auf Munken gedruckt, weil die Menschen die natürliche Haptik des Papiers lieben. Das Besondere an Munken ist seine Schlichtheit. Das Papier ist geradlinig einfach oder natürlich. Und das gilt in unserer Zeit vielleicht wieder als edel.
Mit dem neuen Design bereiten wir Munken auf den nächsten Schritt vor und unterstreichen gleichzeitig seinen Ursprung.
Die Marke Munken hat vor kurzem ein neues Design erhalten. Was hat dich zu diesem Schritt bewogen?
Viele unserer Kund*innen sind Designer*innen oder Menschen, die einen Sinn für zeitgemäßes Design haben. Ihnen zu zeigen, dass unsere Papiermarken wie Munken relevant bleiben und dem Markt voraus sind, ist ein wichtiges Signal. Viele unserer Kund*innen sind mit Munken verbunden und beobachten genau, was wir mit der Marke machen. Mit dem neuen Design bereiten wir Munken auf den nächsten Schritt vor und unterstreichen gleichzeitig seinen Ursprung. Eine noch engere Verknüpfung unserer Wurzeln und unserer Zukunft, könnte man sagen, war sozusagen die Hauptmotivation für den Markenprozess. Und wir möchten die Marke für die nächsten Schritte in den Verbrauchermarkt rüsten. Dazu haben wir eine ganze Reihe an Ideen. Wir glauben, dass Munken das Zeug dazu hat, mehr zu erreichen. Aber darüber werden wir in einem Jahr noch einmal sprechen müssen.
Design ist für uns sehr wichtig. Es hilft uns, Dinge immer wieder neu zu sehen und zu gestalten.
Munken-Kampagnen werden immer wieder mit Designpreisen ausgezeichnet – wie wichtig ist Design für die Führung der Marke Munken?
Design ist für uns sehr wichtig. Es hilft uns, Dinge immer wieder neu zu sehen und zu gestalten. Und so, wie sich die Welt entwickelt, brauchen wir wirklich neue Ideen. Wir leben mit begrenzten Ressourcen für eine immer größer werdende Zahl von Menschen. Design hilft uns dabei, etwas zu verändern. In Munkedal haben wir es zum Beispiel mit Hilfe von Design und Technik geschafft, das Wasser für die Produktion so zu reinigen, dass die Besucher*innen es trinken können. Design ist aber auch eine Möglichkeit, Verbindungen herzustellen. Wir wissen, dass viele unserer Kund*innen Visionäre und Kreative sind, die ein feines Gespür für Design haben. Deshalb sprechen wir sie in unserer Werbung und unserem Marketing gern an und erreichen sie mit Design. Als skandinavische Marke lieben wir zudem Dinge, die gut verarbeitet und gestaltet sind. Das liegt in unserer Natur.
Zusammenarbeit scheint auch ein wichtiger Faktor zu sein. Kürzlich brachte Munken Designer*innen aus verschiedenen europäischen Ländern zusammen, um eine neue Schrift namens Munken Sans zu entwickeln, die bis zum 31. Januar 2021 für jedermann kostenlos zum Download bereitstand. Kannst du uns mehr darüber erzählen?
Die neue Schrift ist die Grundlage für unser neues Munken-Logo. Sie wurde aus einer alten schwedischen Schriftart entwickelt, der Tratex, die auch als schwedische Verkehrsschrift bekannt ist. Das ist die Schrift, die auf allen schwedischen Straßenschildern zu sehen ist. Die neue Munken Sans kann analog und digital verwendet werden und hat drei verschiedene Schnitte. Auch verbindet die neue Munken Sans analoge und digitale Kommunikation. Munken Sans ist der Ausdruck der Vereinigung von Tradition und Entwicklung.
Laurenz Brunner von der Schweizer Schriftgießerei Lineto schien von Anfang an die ideale Wahl für das Redesign der Tratex zu sein. Als man mit der Idee an ihn herantrat, war er sofort davon begeistert. Es stellte sich auch heraus, dass sein guter Freund Jonas Willamsson aus Schweden schon seit einigen Jahren an der Tratex-Schrift geforscht hatte. Damit wurde schnell klar, dass alles erstaunlich gut zusammenpasste. Neben Laurenz und Jonas waren auch Selina Bernet und Cornel Windlin von Lineto mit von der Partie. Als wir die Idee der Zusammenarbeit vertieften, spürten alle, dass wir diese Zusammenarbeit nicht auf eine kommerzielle Dimension beschränken konnten. Das Ergebnis musste geteilt werden, um noch mehr Kreative in den Prozess einzubeziehen.
Die neue Schriftart Munken Sans stand sechs Monate lang kostenlos zur Verfügung. Alle konnten sie herunterladen – das unterstreicht die Idee der Zusammenarbeit, die Munken fördern möchte. Es ist eine vielseitige Schrift, die in Regular, Medium und Bold erhältlich ist. Sie ist eine Hommage an eine klassische Verkehrsschrift und ist jetzt, in ihrer neu gestalteten Form als Munken Sans, bereit für zeitgemäße Anwendungen aller Art, sowohl im Analog- als auch im Digitalbereich.
Wir freuen uns sehr, dass die neu entwickelte Schrift heute bereits über 10.000 Mal heruntergeladen wurde. Wir können also davon ausgehen, dass sehr viele Menschen buchstäblich das Wort verbreiten werden.
Kooperation ist in unserer Welt unerlässlich. Niemand, und schon gar nicht ein Unternehmen, wird die erforderlichen Antworten alleine finden. Wir müssen Ideen teilen, entwickeln und erproben, um etwas Neues und Besseres zu schaffen.
In diesem Jahr wird Munken 150 Jahre alt. Wie sehen deine Zukunftspläne für die Marke aus?
Wir haben seit Jahrzehnten dieselbe Tagline: Teasing senses – pleasing nature. Munken wird immer dafür einstehen, die industrielle Produktion in Einklang mit der Natur zu bringen. Und Munken wird zugleich immer dafür einstehen, Kultur und Design zu dienen, allerdings auf umweltfreundliche Art und Weise. Aber sie müssen auch zur Verfügung stehen. Für uns Menschen sind letztlich zwei Dinge wichtig: Kultur und Natur bzw. Design und Natur oder, um es direkt zu sagen, Schönheit und Überleben.
Wir werden die Stellung von Munken als der führenden Marke für Designpapier in Europa erhalten und weiter ausbauen. Darüber hinaus werden wir Munken in den kommenden Jahren weiter internationalisieren und in neue Märkte einführen. Zukünftig wollen wir designorientierten Menschen Munken in Form von Notizbüchern und anderen hochwertigen Papierprodukten wie dem Munken Cube oder Munken Works anbieten. In einer zunehmend ökologisch sensiblen Welt bietet dieser neue Endverbrauchermarkt einer Marke wie Munken, die seit Jahrzehnten Vorreiter in Sachen klimafreundlicher Produktion ist, große Chancen.