JUNO TALKS mit Sophia Rödiger
Von Null auf 100.000 Kund*innen in drei Jahren – Sophia Rödiger beschreibt den Wahnsinns-Steilflug der Marke 1KOMMA5° in einer aufgeheizten Welt.
Sophia Rödiger ist CMO von 1KOMMA5°. Zudem ist sie Gründerin, Unternehmerin, Buchautorin und tritt regelmäßig als Speakerin auf.
An welchem Punkt steht ihr als Marke heute?
Rein vom Alter her sind wir eine junge Marke. Wir wurden 2021 gegründet. Gleichzeitig sind wir ein Zusammenschluss von Menschen, die zuvor schon lange – wenn auch an unterschiedlichen Stellen – an der Vision eines neuen Marktplatzes für Energie arbeiteten, teils auch Fehler machten oder der Zeitpunkt noch nicht reif war. Hier haben sich also Leute mit viel Erfahrung zur richtigen Zeit zusammengetan. Mit dieser Reife konnten wir schnell wachsen und uns von einer Startup-Brand zum profitablen Marktführer in Europa entwickeln.
Wie habt ihr es geschafft, als Marke so schnell bekannt zu werden?
Zu Beginn mussten wir nicht groß in Marketing investieren, weil durch den Angriffskrieg und die damit verbundenen Energiepreise der Markt insgesamt absurd war und alle Solarstrom wollten. Die Bücher unserer Betriebe füllten sich von allein. Erst im Jahr 2023 haben wir begonnen, mehr in Markenstandards zu investieren und das Team im Marketing zu vergrößern. Dieses Jahr kommt die Marke so richtig zur Entfaltung. Mit Philipp Schröder haben wir einen sehr PR-starken, nahbaren CEO. Unsere Mitarbeitenden, genau wie viele unserer Kund*innen, identifizieren sich mit der Vision von 1KOMMA5° und tragen sie in die Welt. Ich muss niemanden vor die Kamera zwingen. Oft hören wir: »Ich mach sonst nie etwas auf Social Media, für euch und eure Mission teile ich hier gern meine Erfahrungen.«
Der Begriff 1,5-Grad-Ziel war ja bei eurer Gründung schon sehr bekannt. Habt ihr mit eurem Markennamen bewusst die Nähe dazu gesucht?
Der Begriff stammt aus dem Pariser Klimaabkommen. Er symbolisiert einen Kipp-Punkt und enthält eine Aufforderung zur Handlung. Die zugespitzte Provokation und der tägliche Reminder, die dabei mitschwingen, waren beabsichtigt und beantworten somit das Warum unserer Bewegung bereits im Markennamen.
Einerseits sprecht ihr von euch als Bewegung. Gleichzeitig nennt ihr euch »Apple der Energietechnologie«. Wie passt das zusammen?
Wir sind Clean-Tech Unternehmen, wenn es um die Software und Hardware geht, die wir anbieten, und zugleich sind wir Bewegung, wenn es die Art und Weise angeht, wie jeder Kunde und jede Kundin Teil einer großen Energiequelle und eines kollektiven Schwarmspeichers werden. Wir bieten eine innovative technologische Plattform-Lösung, mit der jede*r etwas individuell für das Klimaziel tun kann. Mit uns wird saubere Energie zu einer neuen Experience. Deinen gesamten Energiebedarf zuhause, aber auch für unterwegs, kannst du jetzt einfach selbst managen und wirst unabhängig von den Konzernen und Staaten, die aktuell die fossilen Energien bestimmen. Unsere App zeigt dir immer deinen aktuellen Strompreis, mit dem du bis zu über 80 % sparst im Vergleich zu regulären Stromtarifen. Das ist ein tolles Gefühl! Du schaffst damit zum einen eine neue CO₂-neutrale Energiezukunft und sparst auch noch ordentlich Stromkosten. Kommunikativ war uns von Beginn an für unsere Brand wichtig, das Thema Energie anders zu spielen als die Mitstreiter*innen wie E.ON, Vattenfall, Enpal oder andere. In unserem jüngsten TV-Spot scheint beispielsweise zu Beginn nicht die Sonne auf ein PV-bedecktes Dach, sondern es gewittert und stürmt. Wir kommunizieren unerwarteter, mutiger und stören das Auge vielleicht auch durch Ungewohntes, Auffälliges. Wichtig ist uns dabei immer die Kombination mit Ästhetik, Modernität aber auch Authentizität.
Das Thema Energie ist aktuell mehr denn je politisiert. Wie kommt ihr damit klar?
Durch den Ukraine-Krieg ist das Thema aus der Nische gekommen. Viele wussten über Jahre nicht genau, wie viel sie ihrem Stromanbieter bezahlen. Durch den Krieg ist die Masse der Gesellschaft aufgewacht und es kam überhaupt erst ins Bewusstsein: Strompreise können schwanken, Strom ist nicht einfach immer nur stabil da. In der heutigen Energie-Diskussion ist allerdings viel Unsicherheit, Angst und Ablehnung enthalten. Hier klären wir auf und verbreiten die positiven Narrative. Unser Anspruch ist es auf unseren Kanälen und in unseren Showrooms, jede Energie-Frage zu beantworten, egal ob du am Ende auch bei uns kaufst. Das tun die Menschen eh, wenn sie den Heartbeat AI-WOW Moment hatten und sprichwörtlich: das Licht angeht.
Ihr bekommt also auch viel Stimmung ab?
Ja, man hat den Eindruck, jede*r redet beim Thema Energie mit. Viele äußern Ärger über Politik, Kosten, Halbwissen, Stammtisch-Parolen. Stellenweise ist es sehr anstrengend, besonders für den Vertrieb. Aber ich merke, die Diskussion wird langsam differenzierter. Durch viele Infoveranstaltungen, Podcasts, Erklärvideos, Botschafter*innen-Runden bis hin zu einem eigenen Kinderbuch zum Thema Energie tragen wir dazu bei.
Stellt ihr euch nicht selbst in eine politische Ecke, indem ihr euch als Bewegung darstellt?
Nein, der Markt und die Kund*innen nehmen uns nicht als politische Marke wahr. Für uns ist erst einmal irrelevant, was du wählst. Wir sprechen nicht von Grünstrom und unsere Corporate Identity-Farbe ist lila. 1KOMMA5° betreut inzwischen über 100.000 Kund*innen und wir sehen sehr genau, was die Menschen überzeugt: Sauberer Strom, der gleichzeitig der günstigste ist. Ich denke, bei 80 Prozent der Deutschen geht es beim Thema Energie nicht um Ideologie, sondern ums Kostensparen. Wir haben Lösungen für jeden da draußen. Es geht hier um Freiheit und Lebensqualität auf unserem Planeten – ich finde das Thema ist größer als ein Parteibuch.
Du sprichst davon, dass ihr aufklärt und Dinge bis ins Detail erklären müsst. Was macht es so kompliziert?
Du musst das Thema Energiegewinnung, sowie Energiemärkte, insgesamt erklären und unsere intelligente Lösung darin – PV, Speicher, Planung, Installation, Vernetzung, künstliche Intelligenz, App, Stromtarif, Amortisierung. Um hier einige Stichpunkte zu nennen. Das sind schon viele Informationen. Im direkten Dialog mit den Menschen, häufig bei uns in den Showrooms, schaffen wir dabei aber regelmäßig Aha-Momente.
Wie viele habt ihr inzwischen davon?
Es sind 18 Showrooms und 11 sind noch in der Pipeline. Nirgendwo sonst können wir unsere Gesamtlösung und das Zusammenspiel aller Elemente so gut vorstellen wie dort. Das funktioniert sehr gut für Bildung, Conversion, Brand Partnerschaften.
Mit welchen Argumenten überzeugt ihr?
Wir versetzen dich in die Lage, das Klima zu schützen und dabei immer die günstigste Energie zu haben. Dazu statten wir dein Haus mit der entsprechenden Hardware aus – wie Solarmodule, Wärmepumpen, Energiespeicher, Wallboxen. Damit erzeugst und speicherst du eigene klimaneutrale Energie. Wenn du zusätzlichen Strom benötigst, kaufen wir ihn mithilfe einer KI für dich automatisch an der Strombörse immer dann, wenn er sauber und am günstigsten ist. Das ist immer an besonders sonnen- und windreichen Tagen der Fall, wenn mehr Energie im System ist, als nachgefragt wird. Manchmal bekommst du sogar Geld, weil der Strompreis negativ ist. Viele Menschen, mit denen wir sprechen, wissen gar nicht, dass es eine Strombörse gibt und wie Stromanbieter arbeiten. Da schaffen wir Grundlagenwissen.
Sind andere Länder weiter?
Ja, zum Beispiel Dänemark. Die haben seit Jahren in ihrem Wetterbericht einen Energie-Forecast. Da wird neben dem Wetter angesagt: »Schmeißt heute die Sauna an. Der Wind pustet und es ist viel Energie im System.« Aber selbst Italien hat bereits fast flächendeckend einen intelligenten Zähler in jedem Haus, diese Geräte braucht es, um überhaupt dynamisch Strom abrechnen zu können, wir liegen in Deutschland noch im unteren Prozentbereich. Auch das bekommt der*die Kund*in bei uns aus einer Hand installiert.
In zahlreichen deiner Interviews oder Talks sprichst du von »Schönheit« in Zusammenhang mit euren Aktivitäten. Kannst du das ein wenig erklären?
Weil wir es schön finden, was wir tun. Ein Beispiel: Wir waren vor ein paar Tagen bei unserer Kundin Roswitha »Rosi« Mende in Laatzen. Die ist über 70 Jahre alt und hat uns emotional darüber berichtet, wie sie ihr Haus mit uns von Gas auf erneuerbare Energien umgestellt hat. Dass sie nun jeden Tag in die App schaut und feiert, ihren eigenen Strom zu produzieren. Wir verbinden somit das Leben unserer Kund*innen wieder mit dem Rhythmus von Mutter Natur: Nämlich den unerschöpflichen Quellen aus Wind und Sonne.
Was findest du noch schön, an dem, was ihr macht?
Aktuell nutzen wir Menschen fossile Brennstoffe, die die Umwelt belasten, limitiert sind und uns abhängig gemacht haben. Jetzt nutzen wir Wind und Sonne, die grundsätzlich erst einmal für alle frei verfügbar sind. Wir verdienen damit sogar noch Geld und schwingen wieder im Rhythmus mit der Natur, statt uns davon zu entkoppeln. Das finden wir unfassbar schön.
Lass uns bitte mal über das Thema Marke und Identifikation sprechen. Du sagtest, eure Mitarbeitenden identifizieren sich mit eurer Marke. Als Unternehmen wachst ihr, indem ihr Handwerksbetriebe übernehmt, die teils schon etliche Jahre am Markt sind. Wie bekommt ihr es hin, dass sich die Menschen darin mit eurer Marke identifizieren?
Wir wählen natürlich genau aus, wem wir den Weg mit 1KOMMA5° zutrauen und wer kulturell gut zu uns passt. Viele Unternehmer*innen solcher Betriebe begreifen, dass sie mit uns ganz andere Möglichkeiten haben und schneller wachsen können. Mir fällt da ein 100 Jahre alter Betrieb ein, der auf Wärmepumpen spezialisiert war und seit zwei Jahren mit uns arbeitet. Die sind von 50 auf knapp 100 Mitarbeitende gewachsen. Am Ende müssen die Unternehmer*innen den gleichen Traum und die gleichen Werte wie 1KOMMA5° haben.
Okay, die Chef*innen der Betriebe holt das ab. Wie sieht es mit Mitarbeitenden in der Provinz aus, wenn sie über Nacht Teil einer Hamburger Company werden?
Eine enge Zusammenarbeit ist wichtig, und ein wesentlicher Bestandteil des Kennenlernens ist der Austausch mit Unternehmer*innen, die bereits den Weg mit uns gegangen sind und seit längerem Teil von 1KOMMA5° sind. Der gemeinsame Traum einer neuen Energiezukunft und das gleiche Wertegerüst sind entscheidend. Wir suchen unternehmerisch denkende Macher*innen, die als Team in ihrer Region wachsen wollen. Das wird und muss auch nicht für jeden Betrieb passen. Wir gehen in die Betriebe, machen dort Workshops und erklären unsere Vision. Internationalität und der Wachstums-Speed unserer Marke beeindrucken die Leute, ist unsere Erfahrung. Viele erkennen, dass sie durch uns leichter an neue Talente kommen. Weil die Lust haben, für eine bekannte Marke mit mehreren hundert Developer*innen, internationalen Standorten und einer großen Job-Diversität zu arbeiten. Auch der direkte Bezug zur Umsetzungskraft motiviert: Heißt, wenn sie im Handwerk einen Bedarf bemerken, können sie den direkt technisch umsetzen – das erzeugt ein Gefühl von Selbstwirksamkeit. Darüber hinaus vernetzen wir auch die Geschäftsführer*innen der Standorte, die früher oft selten bis nie Austausch und Synergien mit Gleichgesinnten nutzen konnten.
Von KI-Entwickler*innen in Berlin bis hin zu Solateur*innen in Lingen habt ihr mit 75 Standorten in Deutschland sehr unterschiedliche Unternehmenskulturen an Bord, nehme ich an. Wie bekommt ihr es hin, dass diese verschiedenen Tribes ein 1KOMMA5° ergeben?
Wichtig vorneweg: Wir schätzen diese Vielfalt von Subkulturen und glauben nicht an »die« eine Unternehmenskultur. Wichtig sind die Grundwerte und die offenen, ehrlichen Kommunikationsräume. Wir sprechen viel über Slack-Gruppen, haben aber auch ein Intranet. Wir folgen uns bei LinkedIn, unterstützen uns alle in der virtuellen Sichtbarkeit. Wir nutzen Google Meet für unsere regelmäßigen »All Hands« alle zwei Wochen, und es gibt Gruppen und Maschinenräume für verschiedene Bereiche wie Marketing, Sales, Product oder Tech. Grundsätzlich ist alles sehr transparent, du siehst bis zum*zur CEO den Kalender und kannst dich in Meetings einklinken, wenn dich die Inhalte interessieren. Enorm entscheidend sind aber auch die physischen Treffen in unseren Showrooms, wie beispielsweise unsere Onboarding Tage für neue Talente oder unsere Akademien, in denen wir immer wieder sicherstellen, dass alle geschult sind, die Mission und den Heartbeat AI-Traum verstehen sowie transportieren können.
Letzte Frage: Welche Rolle spielt Design für euch?
Wir denken in alle Medien und Materialien – von Produkt bis Marke, end to end – das Thema Design hinein. Geradlinig, futuristisch, modern, etwas poppig und provokant – wir laden alle Menschen ein, erneuerbare Energie (wieder) cool zu finden und zu erkennen, dass sich Strom aus Wind und Sonne fürs Klima, aber ebenso den eigenen Geldbeutel lohnt. Viele tragen unseren Merch gern – Teaser: die 1KOMMA5° Kollektion ist bereits in Konzeption. Als KI-basierte Energieplattform sind wir mehr Tech-Unternehmen als nur Solateur*in und lassen uns daher von Lifestyle-Marken wie Apple oder Tesla inspirieren. Oder von Marken wie Redbull, True Fruits, die in ihrer Branche mutig sind, Kommunikation anders zu gestalten als die Marktbegleiter*innen. Das gilt für unsere gesamte Philosophie und den gesamten Auftritt.
Danke für das Gespräch.